Random Institute creates exhibition seen by twenty Philippine sailors, buries libraries in the desert of Iceland or throws sentences out of airplanes. You think art should be like a never-ending one-night stand? You think if we focus from time to time on the absence of art, we discover something new that is just as beautiful? Anyone asking themselves such questions, has already entered Random Institute's training ground.
Ohne die übliche Spucke
Das Random Institute macht Ausstellungen, die nur 20 philippinische Matrosen sehen können, versenkt Bibliotheken in Island und wirft Sätze aus einem Kleinflugzeug. Ein Treffen.
Glaubst du, dass die Kunst wie ein nie endender One-Night-Stand sein sollte? Glaubst du, dass wir, wenn wir uns ab und zu auf die Abwesenheit der Kunst konzentrieren, etwas Neues entdecken, was genauso schön ist? Wer sich diese Fragen stellt, befindet sich mitten auf der Teststrecke des Random Institute. Und wer sie auch noch mit einem deutlichen Ja beantwortet, wird schon mal mitten in der Nacht auf eine verlassene Schaffarm gefahren.
Über dieses Projekt sagen die Macher: „Charly, der berüchtigte Fischverkäufer von Paris, führt ein gewagtes Doppelleben - so viel steht fest (er tauscht die Fischschürze abends für ein sexy Dragqueen-Dress). Wir eröffneten seinen Prix-Michelin-gekrönten Fischmarkt in einem Kunstraum in Zürich.“
Das lief so: Der Schweizer Ausstellungsmacher Sandino Scheidegger, einer der Random Institute-Initiatoren, entführte zusammen mit der französischen Künstlerin Florence Jung voriges Jahr zehn Besucher einer Pariser Vernissage. Sie hatten auf einem zuvor ausgehändigten Fragebogen ihre Abenteuerlust verraten. Zwei Wagen fuhren vor, dann ging es für die Teilnehmer fünf Stunden lang in Richtung deutsche Grenze, wo nichts auf sie wartete ausser der Gewissheit, dass der Tag nicht mit dem „Tatort“ enden würde.
„Ohne die übliche Spucke“ will Scheidegger die Kunst mit dem Alltag verkleben. Was 2007 in Bern zusammen mit Luca Müller in einer ehemaligen Druckerei von Freunden für Freunde gegründet wurde, ist heute zur Institution ohne Wände geworden, die mit dem Tanzhaus Zürich eine Performancenacht in engen Gängen organisiert, mit dem niederländischen Filmemacher Guido van der Werve zu einem Roadtrip von Paris nach Warschau aufbricht und Künstler in ein Kleinflugzeug setzt, um Sätze über dem isländischen Hochland zu verstreuen. Neo oder Dada? Egal.
Das bunte Marktreiben wurde zeitgleich Schauplatz für ein mehrtägiges Performance-Festival und eine unheilige Allianz von Kunst und Fisch: Hier eine Performance von Nils Lang mit Mira Kandathil und Annina Machaz.
„Die Künstler drücken ihre Ideen durch die Kunst aus, wir versuchen, Situationen zu schaffen, um unsere zu verwirklichen“, sagt Scheidegger. Die Befreiung von alten Rollenbildern scheint heute nicht nur en vogue zu sein, sondern hat sich endgültig etabliert: Kürzlich lief in Brooklyn der dänische Kurator Jacob Fabricius mit einem Sandwich-Plakatträger durch die Strassen, auf den ein Künstler geschrieben hatte: „Give us back our stars.“
Wie kann man noch Überraschendes schaffen in einer Zeit, in der das Neue so schnell altert? Das Random Institute sucht auch in den Traditionen des Happenings oder der Home-Galleries den nächsten Betriebszustand: Im Februar vegetierte ein verstaubter Drucker im Zürcher Kunstraum Réunion vor sich hin, daneben ruhte eine gelbe Tür. Was für eine Enttäuschung!
Performance von Linda Tegg, in der Tänzerinnen über drei Tage in Slow-Motion persönliche Gegenstände aus dem Haus des Gastgebers räumen, während der Alltag im Haus normal weitergeht. (Don’t Talkt to Strangers, New York 2014)
Doch wer mit seinem Handy eine fremde Nummer anrief, die auf Zetteln verteilt wurde, kam hinter die Idee dieser Schauu, die eigentlich ganz woanders stattfand. „Der Besucher muss sich überwinden, das tut ein bisschen weh, aber genau da liegt der Reiz“, sagt San Keller, einer der teilnehmenden Künstler. In der Wohnung über dem Kunstraum, wo portugiesische Gastarbeiter Einzelzimmer bewohnen, stellte er die weisse Tür aus dem Kunstraum auf, eine gelbe kam runter. „Dieser Austausch war bizarr, weil wir dafür im Vorfeld wortwörtlich mit einer Tür unter dem Arm hausieren mussten“, meint Scheidegger. In einer anderen Wohnung wird Pingpong gespielt - auf einem Kunstwerk. Der costa-ricanische Künstler Federico Herrero (→ SRF Kulturplatz) hatte zuvor nicht nur dem Tisch, sondern auch den Wohnzimmerecken einen giftgrünen Charakter verpasst.
„Etwas Neues zu schaffen bedeutet auch, mal der Willkür den Vortritt zu lassen. So lassen wir lediglich Versuchsballone steigen. Diese fliegen oft in irgendeine Richtung und landen an einem Ort, der zumindest für uns neu ist.“ Der Geist des Random Institute zappelt wie ein norwegischer Wildlachs. Warum also nicht gleich den Heilbutt zur Kunst machen? Für die Aktion „Tout est bon dans le poisson“ bauten sie für Charly, einem berühmten Pariser Fischverkäufer, im Réunion einen authentischen Fischmarkt auf, der gleichzeitig zum Schauplatz eines Queer-Performance-Festivals wurde.
Dieses öffentliche Schwimmbad in London diente während der Ausstellung Keep the Secret im Jahr 2009 als Dusche für Künstler und Kuratoren.
Ein Testfisch, den Scheidegger im Vorfeld gekauft hatte, kostete 84 Franken. Jeder darf das erfahren: Das Random Institute hat seine Bilanzen transparent gemacht, nicht nur in der Schweiz ist das aussergewöhnlich. „In der Kunstwelt will sich niemand dazu äussern, wie viel Geld fliesst. Im nicht kommerziellen Bereich wie bei uns ergibt das aber eigentlich keinen Sinn“, sagt der 31-Jährige.
Der Link ist einer der meistgeklickten auf der Website. Seit März 2014 hat das Projekt 39'673 Franken eingenommen und 60'115 ausgegeben. Die Gründer haben dabei nichts verdient. Es ist die Freiheit, die zählt, das Möglichmachen, der Moment. In naher Zukunft will Scheidegger in der Wüste massstabsgetreue Museen aus Salzkernen bauen - nach dem ersten Regen wird nichts mehr davon übrig sein.
The article was originally published in German under the title Ohne die übliche Spucke in the art magazine Monopol in April 2015: → Download PDF
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