Young & Stupid
The collective Doux-Jesus from Neuchâtel, Switzerland unites several forms of expression but manages nevertheless to find one entity inside the collective. Often this firework of frenzy ends in large-sized works.
Sneeringly and satirically they portrait todays fanatic society.
Thoughts
Thoughts
Die Jugendlichen. Die Jugendlichen stellen sich in Frage. Wer bin ich? Und wer will ich sein? Man verharrt in der Selbstreflexion. Man fragt mich, ob ich einen Text vorlesen könne und ob ich anstelle der ernsthaften Belehrung für einmal einen lustigen Text schreiben werde.
Selber bin ich unsicher, ob ich überhaupt einen Text für diesen Anlass schreiben soll. Denn das Schreiben, das ist das eine. Den Text einem immer irgendwie urteilenden Publikum vorzutragen, ist etwas anderes. Wer bin ich? Und als wer will ich wahrgenommen werden? Zeige ich mein starkes oder mein schwaches ich?
Ihr alle kennt diese Fragen. Man ist nicht immer derselbe. Man kennt sich aus verschiedenen Situationen, Zeiten und Perspektiven. Sicherheit und Unsicherheit wechseln sich in hohen Takten ab. Mal ist mal ängstlich, mal traurig, mal glücklich, mal Gott, mal Teufel, mal jung, mal alt, mal hübsch, mal hässlich, mal begehrt man das Fremde, mal begehrt man das Vertraute. Als Jugendliche sind wir stets dazwischen. Wir sind nicht mehr und wir sind noch nicht. Wir wachsen und sind noch nicht entwachsen. Wir harren aus zwischen dem Dasein als unschuldigem Kind und dem Dasein als schuldigem Erwachsenen. Wann werden wir der Jugend entwachsen sein?
Die Jugendlichen. Man kennt sie als krawattierte Jungunternehmer, die mit einem grandiosen Nischenprodukt das grosse Geld verdienen. Man kennt sie als Nachwuchswissenschaftler, die mit gewagten Theorien erste Auftritte in renommierten wissenschaftlichen Journalen feiern. Man kennt sie als kahlrasierte Rechtsradikale, die mit Schlachtgesängen und Minibomben die Rütli-Feier stören. Man kennt sie als Profisportlerinnen, die von den Eltern trainiert um den Globus jetten. Man kennt sie als selbstverliebte Kunststudentinnen, die an Vernissagen alkoholisierten Smalltalk führen. Man kennt sie als erfolgreiche Models in New York und Kappstadt. Man kennt sie als kiffenden Gamer, die das Tageslicht nur aus ihren Spielen kennen. Man kennt sie als pornosüchtige Hacker, die virtuelle Polizisten auf Trab halten. Man kennt sie als bunt gekleidete Hip-Hopper, die mit Ghetto-Blastern in den Parks herumhängen. Man kennt sie als überschminkte Tussen, die zu knapp bekleidet triumphierend durch die Hauptstrassen marschieren. Man kennt sie als immer-noch-Mädchen, die am Samstagnachmittag Ponys statt Hengste reiten. Klischees. Klischees.
Die Jungendlichen, das sind die Jugendlichen, die der Beobachter sehen will. Sie sind hübsch und hässlich, dumm und schlau, rechts und links, erfolgreich oder gescheitert. Die Jugendlichen, das sind auch für uns Jugendlichen, diejenigen, die wir gerade sehen wollen. Man verkehrt in Kreisen und den Rest sieht man nicht. Im lieb gewonnen Kreis konsumiert man dieselben Drogen, lacht man über dieselben Witze, kauft man dieselben Marken, ohne dies zwingend zu wollen oder dies bewusst zu registrieren. Die von den Psychologen getauften Peer-Groups spenden Sicherheit und Orientierung. Man bildet Gruppen, die für Aussenstehende viel schneller als angenommen als Einheit erkennbar sind.
Und trotz allen Unterschieden sind wir alle gleichzeitig jung, wir Jugendlichen. Trotz allen Unterschieden gleichen wir uns, das Dazwischen verbindet. Das Erwachsensein und seine Mechanismen sind uns noch nicht aus eigener Erfahrung bekannt. Das Beobachten unserer Eltern dient uns nur bedingt als Hinweis, wie es später sein könnte. Denn selbstverständlich wollen wir es anders machen. Selbstverständlich wollen wir die Fehler unserer Eltern vermeiden. Und selbstverständlich fürchten wir uns vor den Regelmässigkeiten, die im Alter auf uns warten. Regelmässig zur Arbeit gehen. Regelmässig dieselben Menschen sehen. Regelmässig keine Drogen konsumieren. Regelmässig neben demselben Menschen erwachen. Regelmässig das Automobil in den Service bringen. Regelmässig dieselben Geburtstage feiern. Regelmässig unsere Eltern im Heim besuchen. Regelmässig mit dem Arzt den körperlichen Verfall besprechen. Regelmässig erkennen wir, dass sich auch unsere Eltern vor diesen Regelmässigkeiten gefürchtet haben und immer noch fürchten.
Heute sind wir jung. Jetzt fühlen wir uns frei und unabhängig. Jetzt fliegen wir durch den Moment. Jetzt stellt jeder Tag die Möglichkeit dar, alles anders als bisher zu machen, davon zu eilen, die Flucht zu ergreifen. Jetzt steht uns die Zukunft mit unseren Träumen und Hoffnungen offen. Jetzt müssen wir uns noch nicht entscheiden. Jetzt noch nicht. Jetzt bleibt noch etwas Zeit übrig, um das Kind zu spielen und Dummheiten zu begehen. Leo übersetzt stupid als albern, blöd, deppert und dumm. Und wenn ich an meine Dummheiten zurückdenke, dann fällt mir ein, wie ein bekiffter Automobilist eine Treppe mit einer Strasse verwechselt hat. Dann fällt mir ein, wie ich in die Ecke einer Tanzfläche gekotzt habe. Dann fällt mir ein, wie ich im falschen Haus meine Wohnung gesucht habe. Dann fällt mir ein, wie ich in den Ferien in Mitten meiner Freunde täglich ohne Grund weinen musste. Dann fallen mir andere Dinge ein, die für ein Publikum noch weniger geeignet sind. Andere waren bestimmt anders und öfters stupid als ich. Ich war ein braver Junge. Aber wiederum liegt es im Auge des Betrachters, Dummheiten als Dummheiten zu bezeichnen.
Erwachsen werden, das heisst die Regeln der Gesellschaft nicht nur kennenzulernen, sondern sich immer mehr dem Zwang ausgesetzt sehen, diese Regeln zu internalisieren und das eigene Verhalten diesen Regeln zu unterwerfen. Wir Jugendlichen leben noch nicht immer nach diesen Normen. Im Gegenteil die Jugend fordert uns aus mit den Grenzen der Gesellschaft, mit den Grenzen unserer ganz eigenen und intimen Person zu experimentieren. Sie verlangt, dass wir sie überschreiten, um die Normen oder zumindest unser eigenes Wesen besser kennenzulernen. Glücklicherweise sind die Grenzen bei jedem Menschen anders gezogen. A sucht die Grenzen im übermässigen Alkoholkonsum und findet es erbärmlich wenn Tränen aus seinen Augen tropfen, während er sich über die Toilettenschüssel beugt. B sucht die Grenzen im Abfahren der Autobahn mit 200 KMH und empfindet den einmaligen Auftritt vor dem Richter als milde Strafe. C kotzt das Essen aus dem Leib und findet erst in der Psychotherapie wieder zum Alltag zurück. D schläft jedes Wochenende mit einem anderen Mann bei und zieht am Ende des Marathons doch die Frauen den Männern vor.
Die Gesellschaft erlaubt es den jungen Menschen Fehler zu machen. Alle Erwachsenen haben diese Zeit der Jugend durchlebt. Sie wissen, dass das Jugendalter ein Zwischenstadium ist. Vor allem aber ist es der Jugendliche selbst, der sich seine Fehler noch eingestehen darf. Es weiss um die Vorläufigkeit seines Daseins. Er lebt im Prozessmodus. Seine Jugend zu leben, heisst Fehler machen zu dürfen, heisst Fehler machen zu müssen, heisst Fehler machen zu wollen. Nur so kommen wir der Antwort auf die Frage auf die Spur, wer wir eigentlich sind. Die Konfrontation mit diesen Grenzen ist nicht nur erfreulich. Man erkennt seine Limitiertheit. Man entdeckt schwarze Löcher in seinem Innern, die Traurigkeit sammeln und Kraft rauben. Man erkennt, dass man anders als die anderen ist. Man erkennt, dass man verdammt gleich ist wie alle anderen, obwohl man doch so gerne etwas ganz Individuelles und Innovatives wäre. Und stets steht uns allen der Weg offen, die Erkundung der eigenen Grenzen, die Begegnung mit dem Unangenehmen und teilweise Unbewussten zu verdrängen.
Wir wissen, dass das Erwachsenenalter den Unsicherheiten der Zwischenphase Jugend ein Ende setzen wird. Das Leben nimmt seinen Lauf. Still und heimlich freuen wir uns auf diese Zeit, in der wir uns nicht mehr lustig trinken müssen, in der wir eine Feier sausen lassen können, in der wir die Gelegenheit erhalten, die Fehler unserer Eltern zu wiederholen. Die Zeit des Erwachsenseins wird Ruhe, Erholung und Sicherheit stiften. Es wird eine Zeit kommen, in der die Auseinandersetzung mit der Frage, wer wir einmal sein wollen, ein Ende gefunden hat. Das Ende wird eintreten, weil wir geworden sind, wer wir geworden sind. Gut möglich, dass wir dann wie Göle jaulen werden, dass wir noch viel blöder getan hätten, wenn wir gewusst hätten, wie es sich anfühlt erwachsen zu sein. Gut möglich, dass wir zufrieden zurückblicken auf diese Zeit, in der noch alles möglich war und doch nur ausgewähltes möglich wurde. Gut möglich, dass wir glücklich sind, nicht mehr in diesem Zustand des dazwischen ausharren zu müssen.
Gut möglich, dass wir auch als Alte jung sein werden. Wir beobachten wie heute niemand mehr erwachsen werden will. Wir sehen die Alten, wie sie unsere Kleider tragen. Wir entdecken die Alten, wie sie unsere Musik hören. Wir treffen die Alten, wenn sie unsere Lokale bevölkern. Wir sehen die Alten nur nicht altern. Nicht altern zu wollen, heisst so lange wie möglich die Fehler machen zu dürfen, die wir jetzt als Jugendliche machen dürfen. Nicht altern zu wollen, heisst nicht darauf zu verzichten, alles einmal ausprobiert zu haben. Nicht altern zu wollen, heisst Angst davor zu haben, einmal geworden zu sein, wie man geworden ist. Young and Stupid. Stupid & Young. Wer als Jugendlicher niemals stupid ist, kann nicht erwachsen werden. Er wird niemals wissen, wer er wirklich ist oder zumindest sein könnte. Wer immer etwas stupid bleibt, wird sich bis ins hohe Alter als Jugendlicher fühlen. Er wird sich immer die Freiheiten nehmen, seinen Lüsten nachzugehen. Sich jung zu fühlen, heisst nichts anderes als das zu tun, worauf man Lust hat, ohne die Angst vor den Konsequenzen des eigenen Handelns als unüberwindbares Hindernis wahrzunehmen.
Thoughts by Joël Luc CachelinInformation
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The exhibition took place from July 5 to August 5, 2008 at the Neue Galerie in Bern, Switzerland.
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